von Jo Specht
Das Zentrum der Corona-Andersdenkenden ist Stuttgart. Warum das so ist, gilt als unklar. Wird den Schwaben doch Minimalismus in allen Bereichen unterstellt. Übersetzt: Sie sparen bis ins Kleinste hinein, auch beim Umgang mit Energie - mit körperlicher Energie, die bei der Teilnahme an einer Querdenker-Veranstaltung aufgebracht werden muss.
Vielleicht hängt es mit der Wirtschaftskraft in der Schwabenmetropole zusammen. Bei Daimler, Porsche & Co. wird gut verdient, die Geschäfte brummen, auch wegen China. Die Beschäftigten wollen in ihrer Freizeit leben, einkaufen, sich etwas leisten, feiern, was die Corona-Maßnahmen verhindern. Das sorgt für Unmut. Zumal alles schon über ein Jahr dauert. Das begünstigt den Spruch: „Man lebt nur einmal, was soll der ganze Zirkus.“ Irgendwie verständlich, doch die ganze Wahrheit ist das nicht.
Die echten oder vermeintlichen Querdenker sind inzwischen breit und bundesweit aufgestellt. Dank der tatkräftigen Unterstützung von Rechtspopulisten, Rechtsradikalen, Reichsbürgern, Verschwörungstheoretikern, Impfgegnern, Untergangsbefürwortern. Und mit der AfD kommt eine Partei dazu, die nicht gerade für Mäßigung und Entspannung aus der gesellschaftlichen Mitte heraus bekannt ist. Immer deutlicher wird, dass die Querdenker-Kundgebungen für extreme, politische Auftritte missbraucht werden. Inzwischen ist es nicht mehr möglich, zwischen Corona-Müden oder Kritikern der Corona-Maßnahmen und den demokratiefeindlichen Radikalen zu unterscheiden.
Alles scheint sich in einem Topf zu befinden, was die Extremen freut. Behaupten sie doch, wenn sie auf sogenannte Normalos, auf ihre bürgerlichen „Aushängeschilder“ bei den Demonstrationen verweisen, den wirklichen Willen des Volkes zu vertreten. Nachdenklich stimmt da, dass in repräsentativen Umfragen deutlich über 50 Prozent der Bevölkerung mit den Corona-Schutzauflagen einverstanden ist. Diese Mehrheit glaubt auch daran, dass Impfungen und Tests es in naher Zeit ermöglichen, die Herdenimmunität zu erreichen und damit wieder ein normales Leben leben zu können. Die Devise heißt demnach: „Durchhalten, das Ende ist in Sicht.“
Wer dann aber meint, dass nach Corona alles wieder ruhig verläuft, irrt. Die Querdenker mit ihren verqueren Theorien werden weiterhin aktiv sein. Dafür spricht deren Fähigkeit, hat sich ein Thema erledigt, ein anderes zu finden. Vielleicht werden es, nach einer AfD-Empfehlung, die Flüchtlinge sein. Die trotz ausgestandener Kriegsqualen keine seien, sondern nur „Maden, die sich im deutschen Speck wohlfühlen wollen“. Klar ist doch, zuerst kommt die Verteidigung des Specks, dann vielleicht so etwas wie Menschlichkeit. „Helfen“ und „Teilen“ und „Anteil nehmen“ sind Fremdwörter für sie.
Unterm Strich heißt das: Die Querdenker werden nach Corona nicht verschwinden, sie dürften sich lediglich zahlenmäßig verringern. Zu gut läuft die Organisation, zu schön ist die Finanzierung über Spenden, die steuerlich einem Freifahrtschein gleichkommen und keine Kontrolle hinsichtlich der Verwendung vorschreiben. Zu viele Themen, besonders rechtspolitische, gibt es, auf die Menschen anspringen könnten.
Da fällt mir eine wichtige Korrektur ein, die ich aus Gewissensgründen nicht mehr für mich behalten kann. Nicht Bill Gates will die Menschheit kontrollieren und weiter versklaven. Das will Elon Musk machen. Von einem anderen Stern aus. Deshalb hat er sein Raumfahrtunternehmen gegründet. Der Name des Sterns ist höchste Geheimsache.